Bidirektionales Laden: Wenn das E-Auto zum dezentralen Stromspeicher wird.
Bidirektionales Laden – Das E-Auto als Stromlieferant auf vier Rädern.
Die Transformation hin zur Elektromobilität ist im vollen Gange. Zwar wurde die Entscheidung für das komplette Verbrenner-Aus vorerst vertagt, allerdings ist es beschlossene Sache, dass ab 2035 keine neuen Autos mit Diesel- oder Benzinermotoren mehr zugelassen werden dürfen.1
Zukünftig geht es jedoch nicht nur darum, mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen – auch die Entwicklung von Lösungen, wie sich Elektromobilität in die Strommärkte integrieren lässt, ist ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Klimaneutralität. Aus diesem Grund stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) 80 Millionen Euro für die Forschung und Entwicklung in der E-Mobilität zur Verfügung. Schwerpunkt: bidirektionales Laden.2
Was ist bidirektionales Laden?
Bidirektionales Laden beschreibt die Methode, Strom nicht nur in eine, sondern in beide Richtungen fließen zu lassen. Genauer gesagt, versteckt sich hinter dem Begriff die Möglichkeit, Energie im Akku eines Elektrofahrzeuges zu speichern und bei Bedarf wieder zu entnehmen und anderweitig zu verwenden. Die Batterie des Elektroautos dient dann zusätzlich als vorübergehender Stromspeicher, der den geladenen Strom im Bedarfsfall an andere Verbraucher oder das Netz abgibt. Wohin beispielsweise mit all dem überschüssigen Strom, den die heimische Photovoltaik-Anlage an schönen Tagen produziert? Die Antwort finden Sie zukünftig in Ihrem E-Auto, das als Energiespeicher fungiert. So kann dank der Möglichkeit zum bidirektionalen Laden mithilfe des eigenen E-Autos zum Beispiel das heimische Stromnetz betrieben werden, wenn gerade mal keine Solar- oder Windenergie zur Verfügung steht. Und auch das Einspeisen des Stroms aus dem E-Auto über die Wallbox ins öffentliche Stromnetz und umgekehrt ist dann möglich.
Wie funktioniert bidirektionales Laden: V2H vs. V2G.
Beim bidirektionalen Laden ist stets die Fahrzeugbatterie der Ausgangspunkt. Diese dient als Speicher für Strom und kann bei Bedarf wieder entladen werden, um den gespeicherten Strom zu nutzen. Auf der anderen Seite stehen unterschiedliche Verbraucher: So kann die Energie aus dem Akku des Elektroautos beispielsweise zur Einspeisung in das öffentliche Netz oder zum Verbrauch im eigenen Haus verwendet werden. Dementsprechend wird der Überbegriff Vehicle-to-X (V2X) zur Bündelung der unterschiedlichen Typen des bidirektionalen Ladens verwendet. Im Wesentlichen werden zwei Haupttypen klassifiziert: die Versorgung des eigenen Haushalts (Vehicle-to-Home) und die Stabilisierung des Stromnetzes (Vehicle-to-Grid).
Vehicle-to-Home (V2H).
Bei dieser Variante wird der im E-Auto gespeicherte Strom genutzt, um das private Stromnetz und verschiedene Verbraucher im Haushalt mit Energie zu versorgen. Da Elektroautos mit Gleichstrom fahren, muss der Strom zur Nutzung im Netz zunächst in Wechselstrom umgewandelt werden. Der für die Umwandlung von Gleichstrom zu Wechselstrom verantwortliche Wechselrichter befindet sich dabei zumeist in der Wallbox. Diese Methode ergibt vor allem dann Sinn, wenn das E-Auto zuvor durch Strom aus der eigenen Solaranlage und nicht an einer herkömmlichen Ladesäule gespeist wurde.
Bei selbst produzierter Energie wächst gleichzeitig auch die Eigenverbrauchsquote und damit auch die Autarkie des öffentlichen Netzes. Ein 50-Kilowatt-Akku eines E-Autos könnte so als flexibler Speicher fast fünf Tage lang den Energiebedarf einer vierköpfigen Familie decken.3
Vehicle-to-Grid (V2G).
Die Variante Vehicle-to-Grid dient anstelle der privaten, isolierten Akkunutzung der Einspeisung der Energie ins öffentliche Netz: Die im Akku von E-Autos gespeicherte Energie wird dazu genutzt, das öffentliche Stromnetz zu versorgen. Der Grundgedanke dabei ist, dass E-Autos zum Beispiel den überschüssigen Strom großer PV-Anlagen speichern, damit dieser nicht verloren geht und während der Spitzenzeiten wieder abrufbar ist.
Natürlich steht das Elektroauto weiterhin für Fahrten zur Verfügung. Denn weil die meisten Fahrzeuge rund 90 Prozent ihrer Zeit nicht bewegt werden, wird die individuelle Mobilität durch V2G nicht beeinträchtigt. Die Elektroautos können je nach individuellem Bedarf als Speicher dienen und flexibel entladen und wieder aufgeladen werden. Zukünftig könnte so das Stromnetz entlastet werden, ohne in große Speicheranlagen investieren zu müssen.
Im Gegensatz zur V2H-Variante, die bereits mit den dafür ausgelegten Elektroautos anwendbar ist, befindet sich V2G in Deutschland noch in der Pilotphase. Es ist aber davon auszugehen, dass die regulatorischen Voraussetzungen demnächst geschaffen werden.4
Bidirektionales Laden von E-Autos: Vor- und Nachteile.
Vorteile des bidirektionalen Ladens:
- Weniger grüner Strom wird verschwendet, da Strom aus erneuerbaren Energiequellen effizienter genutzt wird.
- Positiver Einfluss auf Klima und Umwelt, da fossile Brennstoffe eingespart werden.
- Steigerung der Autarkie (bereits durch das Aufladen mit günstigerem Nachtstrom kann eine gewisse Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz erreicht werden).
Nachteile des bidirektionalen Ladens:
- Verkürzter Lebenszyklus der Batterie, da die Anzahl von Lade- und Entladevorgängen eines Akkus begrenzt sind.
- Hohe Investitionskosten, da sich herkömmliche Wallboxen nicht für bidirektionales Laden eignen (gegebenenfalls müsste eine Nachrüstung stattfinden).
Technikwissen: Welche Wallbox kann bidirektional laden?
Grundvoraussetzung für die Nutzung bidirektionalen Ladens ist eine spezielle Wallbox. Diese muss – genau wie Ladesäulen zum bidirektionalen Laden – die Norm ISO 15118-20 zur Kommunikation zwischen E-Auto und Ladelösung erfüllen.5 Des Weiteren muss die bidirektionale Wallbox in der Lage sein, Wechselstrom zum Laden des E-Autos in Gleichstrom und zur Einspeisung wiederum Gleichstrom in Wechselstrom umzuwandeln. Aber auch der Anschluss des Steckers spielt eine entscheidende Rolle: So ist vor allem der CHAdeMO-Stecker dafür ausgelegt, Strom von der Batterie auszuleiten. Der von den europäischen Marken verwendete Standard CSS beherrscht dies meist noch nicht. Derzeit arbeiten die Hersteller jedoch intensiv daran, E-Autos, Wallboxen und Stecker auf den Markt zu bringen, die für das bidirektionale Laden geeignet sind.
Der Volkswagen Konzern nimmt hier die Vorreiterrolle der europäischen Marken ein. Bidirektionales Laden ist beispielsweise für die aktuellen Volkswagen ID. Modelle kein Problem.
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Bidirektionales Laden und seine Zukunft.
Aktuell steckt bidirektionales Laden noch in den Kinderschuhen, zeigt aber bereits das große Potenzial von E-Autos als dezentrale Energiespeicher. Vor allem mit Blick auf den Klimawandel könnte diese Technologie ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein.
Damit die Vision auch Realität wird, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Auf der einen Seite braucht es Hersteller und Verbraucher, die die Technik vorantreiben und nutzen. Auf der anderen Seite ist es die Aufgabe von Gesetzgeber und Netzbetreibern, die regulatorischen Voraussetzungen für den flächendeckenden Einsatz zu schaffen bzw. umzusetzen. Dazu ist es wichtig, geeignete Ladeinfrastruktur und Wallboxen weiter auszubauen und neben CHAdeMO weitere Schnittstellen für das bidirektionale Laden zu optimieren.
Quellen:
1 Verbrenner-Verbot: Ab 2035 keine neuen Diesel und Benziner mehr | ADAC
2 80 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung in der E-Mobilität – Schwerpunkt bidirektionales Laden | BMWK
3 Bidirektionales Laden: E-Auto als Stromspeicher | Vattenfall
4 Autos für bidirektionales Laden: Diese E-Autos sind rückspeisefähig (2023) | Meinauto
5 ISO 15118-20:2022 – IEC-Normen | VDE VERLAG
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